Themen - Wissenswertes


1810 – 2010: Schiltach 200 Jahre bei Baden

Der Historische Verein erinnert an Ereignisse von großer Tragweite

Das Jahr 1810 markiert in der Geschichte Schiltachs einen nicht zu unterschätzenden Einschnitt. Nach Jahrhunderte langer prägender Zugehörigkeit zur Herrschaft Württemberg kamen - als direkte Auswirkung napoleonischer Politik - neben weiteren Gebieten auch große Teile des Oberamts Hornberg und damit auch unsere Heimatstadt an das Großherzogtum Baden. Zuvor bewirkten im deutschen Südwesten bereits Säkularisierung und Mediatisierung innerhalb weniger Jahre die Auflösung zahlloser kleiner und kleinster Herrschaften. Kirchliche Territorien und die ehemals Freien Reichsstädte verloren Privilegien und ihre Unabhängigkeit. Am Ende dieser Entwicklung standen ein wesentlich vergrößertes und deutlich nach Norden, Osten und Süden erweitertes Königreich Württemberg und ein um ein Vielfaches ausgedehntes Großherzogtum Baden, das sich nun vom Bodensee den Rhein entlang bis an den Main erstreckte. Daneben blieb im Südwesten lediglich das mit Preußen verbundene Hohenzollern vorläufig als eigenständiges politisches Gebilde bestehen.
Unmittelbarer Anlass für die nun eingeleiteten Grenzkorrekturen war der Pariser Vertrag vom 2. Oktober 1810, dessen Inkrafttreten sich vor wenigen Tagen zum 200. Mal jährte. Dieser Staatsvertrag wurde unter der Federführung Frankreichs und nach erklärtem Willen Napoleons zwischen Gesandten des württembergischen und badischen Herrscherhauses nach langen und zähen Verhandlungen erreicht. Er beschreibt u.a. die vereinbarten Gebietsabtretungen Württembergs und verzeichnet akribisch Ämter, Gemeinden, Weiler und Höfe, die entlang der württembergisch-badischen Grenze die Herrschaft wechseln sollten. Von den Maßnahmen entlang der gemeinsamen Grenze waren gemäß Vertragstext etwa fünfundvierzigtausend „Seelen“ betroffen. Zur Kompensation dieses Zugewinns musste Baden Territorien an seinen nördlichen Nachbarn, das Großherzogtum Hessen, abgeben.
Vom damals württembergischen Oberamt Hornberg gingen die Städte Hornberg und Schiltach mit Lehengericht sowie die (Stabs-)Gemeinden Gutach, Kirnbach, Reichenbach, Langenschiltach, Tennenbronn, St. Georgen, Buchenberg, Königsfeld, Peterzell, Mönchweiler, Brigach, Kirnach, Weiler und Stockburg an das Großherzogtum Baden über. Dies zog eine Neustrukturierung der badischen Verwaltung nach sich, was für die Stadt Schiltach mit Lehengericht nun die allmähliche Loslösung von Hornberg und die schrittweise Zuordnung zum Amt Wolfach bedeutete. Der Amtsbezirk Wolfach wiederum war dem mittelbadischen Kinzigkreis angegliedert.
Erst die vom Oberamt Hornberg ins Großherzogtum eingebrachten Gebiete entlang der Gutach ermöglichten es, innerhalb der neuen badischen Landesgrenzen die bedeutende Straßenverbindung (heute: B33) von Offenburg über den Schwarzwald nach Villingen und weiter nach Konstanz zu schaffen und damit die seit 1803 hinzu gekommenen südlichen und südöstlichen Landesteile besser an das politische Zentrum in Karlsruhe anzubinden. Jahre später folgte die Eisenbahn („Schwarzwaldbahn“)in etwa der gleichen Trasse.
Zum Stadtfestwochenende im Juni dieses Jahres präsentierte der Historische Verein eine vielbeachtete Ausstellung über den Zeitraum der letzten 200 Jahre. Schwerpunkt war die Geschichte und Entwicklung der Stadt im Großherzogtum Baden von 1810 bis 1918 und danach als Bestandteil des Landes Baden bis in die Gegenwart. Mitglieder des Initiativkreises trugen dazu – unterstützt durch Mitarbeiter des Stadtarchivs – zeitgeschichtliches Kartenmaterial, Bilder, Fotografien, Urkunden, Stadtansichten und weitere interessante Exponate zusammen und versahen die Ausstellungsstücke mit ergänzenden Texten.
Auf vielfachen Wunsch wurde die Ausstellung rund um den Bauernmarkt nochmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der Bogen der Themen spannte sich dabei von den politischen Rahmenbedingungen und territorialen Veränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der Loslösung des Lehengerichts, dem Kirchenbau und der Revolution über den Besuch von Großherzog Friedrich I. im Jahre 1858 und die Reichsgründung 1871 über die Ausrufung der Republik im Jahre 1918 bis zur „Gleichschaltung der Länder“ 1933. Ein Blick auf das aus einem Teil der französischen Besatzungszone hervorgegangene Nachkriegs-Bundesland (Süd-)Baden mit seinem Staatspräsidenten Leo Wohleb, die Gründung des „Südweststaats“ Baden-Württembergs sowie die Kreis- und Gemeindereform zu Beginn der 70er Jahre, die das Lehengericht wieder mit Schiltach vereinigte, schlossen den Kreis.

Eine umfangreiche Präsentation historischer Postkarten und Ansichten aus Schiltach und Lehengericht ergänzte den geschichtlichen Überblick und zeigte eindrücklich die Veränderungen auf, denen Stadt und Landschaft in den vergangenen 130 Jahren ausgesetzt waren.

Der Initiativkreis des Historischen Vereins bedankt sich für das gezeigte große Interesse und die positiven Rückmeldungen.

Schiltach, im Januar 2011

Reinhard Mahn
Schriftführer



Die Eisenbahn hält Einzug im Kinzigtal

Nachdem die Hauptstrecke der badischen Eisenbahn zwischen Mannheim und Basel in den 1850er Jahren dem Verkehr übergeben wurde, ging man daran, nach und nach auch die anderen Gegenden des Landes und die Täler für dieses neue Verkehrsmittel zu erschließen.

Der erste Bauabschnitt der Kinzigtalbahn verband die Städte Offenburg und Hausach und wurde 1866 fertiggestellt. Allerdings war damals noch nicht entschieden, ob die Strecke weiter über Hornberg und Triberg oder aber über Schramberg in Richtung Villingen weitergeführt werden solle. Die Topographie und die zu erwartenden geringeren Baukosten sprachen für diese zweite Variante, die Schiltach zu einem bedeutenden Knotenpunkt gemacht hätte. Allerdings hätte eine Streckenführung über Schramberg bedeutet, dass die Linie durch Württemberg, sprich deutsches Ausland führen würde, was man zu vermeiden suchte.
Zudem war Robert Gerwig, der technische Leiter des badischen Bahnbaus, einer Streckenführung über das obere Kinzigtal abgeneigt. „Sein Bestreben ging darauf aus, sich durch den Bau einer Kunstbahn, wie eine zweite sich in Deutschland nicht finden solle, einen Namen zu machen, was ihm dann verschiedenermaßen in hohem Grade gelungen ist“ (Johann Höflin). Die noch heute berühmte und vielfach bewunderte „Schwarzwaldbahn“ wurde in den Jahren 1865 bis 1873 über Triberg mit einem Kostenaufwand von etwa 24 Mio. Mark errichtet

Das obere Kinzigtal hatte somit das Nachsehen und weiterhin keinen Zugang zum neuen Transportmittel !

Am 6. Januar 1872 versammelten sich in Alpirsbach Vertreter der Industrie, des Handels und der Gemeinden um den Eisenbahnbau voranzutreiben. Ein Komitee bestehend aus badischen und württembergischen Vertretern wurde gewählt und nahm Verbindung mit der Süddeutschen Eisenbahngesellschaft mit Sitz in Stuttgart auf. Diese schickte Praktikanten, angehende Ingenieure, die die Strecke um Schiltach vermaßen und ihre Ergebnisse vorlegten.

1878 dann wurde die Teilstrecke Hausach - Wolfach fertiggestellt. Die Verhandlungen über den Bau der weiteren Strecke nach Freudenstadt zogen sich zäh hin, da sich die beteiligten Staaten Baden und Württemberg nicht über die Details einig werden konnten. Gemäß Staatsvertrag hatte Baden bis zum Bahnhof Schiltach zu bauen, Württemberg ab dort bis Freudenstadt. Die Lage des Bahnhofs war daher lange umstritten, Württemberg musste nämlich für die auf badischem Staatsgebiet entstehenden Kosten ab Schiltach bis zur Landesgrenze unterhalb Rötenbachs und weiter bis Freudenstadt aufkommen. Das Königreich war deshalb an einer Errichtung des Bahngeländes östlich von Schiltach interessiert, das Großherzogtum wollte den Bahnhof möglichst weit westlich, um die Strecke nach Wolfach kurz zu halten.
Letztendlich entstand das Bahngelände – wie noch heute zu besichtigen – in Richtung Wolfach. Dazu wurde der Lauf der Kinzig nach Süden gedrückt, sie erhielt ein neues, künstliches Bett, der Jahrhunderte alte Kirchenweiher der Flößer verschwand. Zwischen dem „Lehen“ und „Am Hirschen“ musste ein Tunnel (121 m) gebohrt werden und im Bereich „Vor Kuhbach“ wurde die Bahnlinie mittels Sprengungen hart unterhalb des „Häberlesberg“ geführt.

Am 3. November 1886 wurde die insgesamt 34,5 km lange Strecke Wolfach – Schiltach - Freudenstadt schließlich feierlich eröffnet. Die Kosten für dieses letzte Teilstück beliefen sich auf insgesamt 13 Mio. Reichsmark, wovon Baden 3,2 Mio. (für 9,71 km Strecke) und Württemberg 9,8 Mio. (für 24,83 km) aufbringen mussten.

(Nach Johann Höflin zusammengestellt von Reinhard Mahn, 15.09.2010)




Die Nebenbahn Schiltach - Schramberg

Die Verhandlungen über den Bau einer „Seitenbahn“ Schiltach-Schramberg reichen bis ins Jahr 1877 zurück. Vor allem die aufstrebende und expandierende Schramberger Industrie machte sich für die Strecke stark. 1885 schrieben die Schramberger Unternehmer wieder an die Regierungen in Stuttgart und Karlsruhe und hatten diesmal Erfolg. Beschleunigen konnten sie die Durchführung, indem sie über „einen Zeitraum von 10 Jahren einen jährlichen Minimalgüterverkehr von mindestens 500.000 Zentnern“ garantierten. Dies entsprach für die Bahn als Spediteur jährlichen Frachteinnahmen von etwa 38.000 Mark.
In einem Staatsvertrag zwischen Baden und Württemberg wurde 1887 der Bau der Bahnlinie besiegelt. Mit den Arbeiten wurde 1889 begonnen und drei Jahre später konnte die Strecke fertiggestellt werden. Die Kosten für den Bau der Strecke wurden bei Baubeginn auf 864.000 Mark veranschlagt.
Die tatsächlich angefallenen Kosten ließen die Berechnungen schnell Makulatur werden. Einer der Gründe für die drastische Verteuerung war der Bau des Schiltacher „Kirchbergtunnels“. Die Errichtung dieses Bauwerks war für den badischen Staat Bedingung für die Anlage der gesamten Strecke. Eine Trassenführung entlang des Kirchbergs, am Vorstädtle vorbei und dann entlang der Bachstraße schied aus topographischen und städtebaulichen Gründen von vornherein aus. Für die Bewohner des Städtles und der Ziegelhütte wurde auf dem Gelände der heutigen Grünanlage zwischen „Treffpunkt“ und Friedrich-Grohe-Halle der Haltepunkt „Schiltach Stadt“ errichtet.
Die Gesamtbaukosten überschritten den Ansatz um etwa 90% - und erreichten eine Höhe von ca. 1,6 Mio. Mark. Die Gesamtlänge der Bahnstrecke lag bei 8,86 km, wobei 6,91 km auf badisches Gebiet und lediglich 1,95 km auf württembergisches Territorium entfielen.

Am 5. Oktober 1892 wurde die Bahn mit ihren Anlagen behördlich abgenommen, vier Tage später fand die Eröffnungsfahrt statt. A. Kuntzemüller notierte in seinem Beitrag zur Ortenau Nr. 22 (1935) hierzu: „An der Landesgrenze grüßten Flaggen in den Landesfarben, und die Freude, die für Schramberg lebensnotwendige Bahn endlich verwirklicht zu sehen, tröstete über alle Unannehmlichkeiten, die vorangegangen waren, hinweg“.

Über einen Zeitraum von fast 100 Jahren war die Bahn nun Bestandteil des Lebens der Bewohner des unteren Schiltachtals. Allerdings kündigten sich bereits in den 1950er Jahren massive Veränderungen an. Zusehends verlagerte sich der Transport der Industriegüter von der Schiene auf die Straße und die zunehmende private Motorisierung ließ die Fahrgastzahlen zurück gehen. Dazu kamen strukturelle Veränderungen in der Schramberger Industrielandschaft.

Der regelmäßige Personentransport wurde 1959 eingestellt, ausgenommen waren hiervon immer wieder stattfindende Sonderfahrten. Lediglich für die Dauer von Ausbauarbeiten an der B462 wurde der Personenverkehr 1967 nochmals kurzzeitig wiederbelebt, der Güterverkehr blieb dagegen noch bis 1988 erhalten. Die Deutsche Bundesbahn investierte sogar nochmals erhebliche Mittel in den Gleisausbau und die Errichtung einer neuen Güterhalle in Schramberg. Ende Februar 1972 fiel der Schramberger Bahnhof einer Brandstiftung zum Opfer, die Brandruine wurde nicht mehr aufgebaut, der Geschäftsbetrieb wurde von Büro-Containern aus betrieben.

Nach der endgültigen Stilllegung im Jahre 1991 wurden die Gleise abgetragen und die ehemalige Bahntrasse in einen heute äußerst beliebten Rad- und Spazierweg umgewandelt.

(zusammengestellt von Reinhard Mahn, 15.09.2010)